Forscher  aus vier europäischen Ländern wollen in den kommenden vier Jahren  untersuchen, wie sich Übergewicht und Diabetes bei Frauen während der  Schwangerschaft auf Gesundheit und Gesundheitsrisiken ihrer Kinder  auswirken. Bereits im Mutterleib wird - zusätzlich zu den genetischen  Grundlagen - die Basis für die weitere gesundheitliche Entwicklung der  Kinder gelegt. Untersuchungen bei so genannten "Retortenbabys" hatten  ergeben, dass diese Kinder überdurchschnittlich oft übergewichtig  geworden waren. Im Verdacht stehen dabei ein zu nährstoffreiches  Kulturmedium oder andere Faktoren, die bei einer In-vitro-Fertilisation  einwirken können (höheres Alter der Mütter, Kryokonservierung, etc.).  Tierversuche haben inzwischen diesen ganz frühen Einfluss auf die  spätere Gesundheit bestätigt, also bereits zu einem Zeitpunkt, an dem  eine Mutter noch gar nicht weiß, dass sie schwanger ist.
Wissenschaftler  aus sieben Universitäten und Biotechnologiefirmen werden im Rahmen  eines gemeinsamen Projektes "EpiHealth" durch die Europäische Union  gefördert. Insgesamt stehen dafür 2,9 Millionen Euro zur Verfügung.  Davon fließen etwa 370.000 Euro an das hallesche Institut für Anatomie  und Zellbiologie. Institutsdirektor Professor Dr. Dr. Bernd Fischer  freut sich darüber: "Es ist bereits das sechste Projekt bei uns, das  durch die Europäische Union gefördert wird." Er sehe dies als  Anerkennung der Forschungsleistungen seiner Arbeitsgruppe. Die EU habe  diese Forschungsprojekte in den vergangenen Jahren mit bisher 1,7  Millionen Euro unterstützt.
Bereits  seit vielen Jahren beschäftigen sich die halleschen Wissenschaftler mit  Stoffwechselerkrankungen. Die Embryologen und Zellbiologen werden nun  an Hand eines Tiermodells untersuchen, wie es im Mutterleib innerhalb  der ersten sechs Tage nach der Befruchtung zur Fehlprogrammierung des  Stoffwechsels kommt. "Wir wollen klären, welche Einflüsse sich bereits  weit vor der Geburt, um den Zeitpunkt der Konzeption herum, auf die  gesundheitliche Entwicklung der Kinder auswirken." Vielen Ärzten und  Laien sei nicht bekannt, dass die Gesundheit des Kindes bereits während  der Schwangerschaft zum Teil festgelegt werde. Dies bedeutet  beispielsweise, dass Kinder von übergewichtigen Müttern ein höheres  Risiko tragen, auch übergewichtig zu werden.
"Angesichts  der Prognosen, dass die Zahl der (zum Teil stark) übergewichtigen  Menschen in den Industrienationen in den kommenden Jahren stark  ansteigen wird, ist es nach unserer Auffassung besonders wichtig, die  Mechanismen für solche Fehlentwicklungen zu ergründen", sagt der  hallesche Wissenschaftler. Beispielsweise werde erwartet, dass im Jahr  2020 etwa drei Viertel aller US-amerikanischen Frauen und Männer  übergewichtig sein werden. Diabetes und aus Übergewicht resultierende  Folgen wie Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Schlaganfälle hätten Einfluss  auf die Lebenserwartung und Lebensqualität der Betroffenen: "Beide  sinken bei diesen Risikofaktoren. Daher müssen wir mehr über  Gesundheitsdeterminaten für die kommenden Generationen verstehen."  Diabetes sei keine genetisch bedingte Erbkrankheit, werde aber im Falle  von Schwangerschaftsdiabetes oder bei Übergewicht von der Mutter auf das  Kind übertragen. 
Zwei  junge Wissenschaftlerinnen aus dem halleschen Institut, eine Biologin  und eine Ernährungswissenschaftlerin, werden im Rahmen des  Forschungsprojektes an ihren Doktorarbeiten arbeiten. Professor Fischer:  "Wir glauben, dass vor allem bei den Blastozysten - also dem  Entwicklungsstadium des Embryos zwischen dem dritten/vierten bis  sechsten Tag nach der Befruchtung - die Fehlprogrammierung des  Stoffwechsels erfolgt." Sie werden bei diabetischen Müttern mit Glukose  überschwemmt, können jedoch selbst noch kein Insulin herstellen und sind  deshalb nicht in der Lage, die Glukose adäquat zu verstoffwechseln.  "Die Blastozysten sind schon kleine Diabetiker." Ein neuer Befund aus  der Arbeitsgruppe von Professor Fischer ist, dass zudem  Fettgewebshormone der Mutter sich bereits auf den Stoffwechsel der  Blastozysten auswirken. Da sich die Stoffwechselwege bei Blastozysten  und bei Alternsvorgängen ähneln, wird eine der beiden Doktorandinnen  über diesen Zusammenhang zwischen dem Beginn und "Ende" des Lebens  forschen.
Pressemitteilung der Universität Halle vom 2.12.2012
